Ort der Freude
tedfett
Das Ist Das Ende.

Die Tür am Ende des Ganges erzittert, als sie der blinde Herr Schrudel unüberlegt aber entschlossen mit seinem Messerchen bearbeitet. "So'n dünnes Heft, ich hoffe, es zerbricht nicht!" ruft er in die begierig geöffneten Augen der Mitreisenden hinein. Es klingt wie Kratzen mit Kreide an der Schultafel! Die Spannung steigt, der Hund fällt auf den Rücken, Gisella (finale 23) klappert mit den Augen. Oma Steckwurst sucht den Öffner. Da klopft es von innen!

Automatisch öffnet sich die Tür, denn heutzutage geht alles automatisch, auch die Computer, die mit Computern betrieben werden (verkürzte Erklärung, wegen Platz). "Tühühüren öffnen sich zur Stadt", summt Koko, der Dackel, den alle nur Schaboffski nennen, mit korrekter Betonung auf dem "sich" (warum?). Küchengeruch. Sie betreten eine hallende Halle.

Ein Herr mit Haupthaar, eigentümlicher Brille (offenliegende Schrauben) und Vorrichtungen am Ohr fläzt in einem Schwedischenmöbelhaus-Kinderstuhl, der wie ein Huhn aussieht. Beim Reden treten ihm Blasen aus der Nase, aber er redet nicht.

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Das ist das Ende. Zumindest das Ende der verklemmten Keuschigkeit.

"Das ist ja der Herr Gofthe!" ruft Gisella entzückt, stellt den rechten Fuß auf sein linkes Knie und rollt mit den Strümpfen. Peinlich berührt markiert Koko den Mittelpunkt der angenommenen Blasewelt als sein Revier, ordnungsgemäß. "Nun", korrigiert Herr Gofthe die Gedanken des Hundes, die zu lesen er augenscheinlich imstande ist, "es handelt sich eigentlich nicht um den Mittelpunkt, eher um das Ende der Blasewelt, Damen und Herren, so leid es mir tut. Sie stehen vor Ihrem Schöpfer. Ihre Heimat wird ausgelöscht, Dschisella, punktum, keine Widerrede. Sobald das Vorhaben nach oben durchgesickert ist - ein Scherz, meine Liebe - wird es sich selbst erfüllen. Und", böser Gofthe, "müssen Wir darum böse sein?"

"Ja!" ruft Oma Steckwurst. "Wo soll ich denn jetzt kochen? Sie essen doch auch gern Kochwurst, Herr Gofthe!" - "Mein zweiter Name ist Kochwurst, Gnädigste, Johann Kochwurst Gofthe. Vielleicht im Internet?"

"Internet plus Pornografie istgleich Kommunismus", warnt Oma Steckwurst. Schrudel soll auch was sagen!

Aber Schrudel ist mit der Frage beschäftigt, ob er den Kopulationskrampf in der Wade, den er in der Vorwoche erlitten hat, bei seinem Hausarzt melden oder gleich einen Spezialisten in Anspruch nehmen muss. Er hat ja den Krauseduo, da muss er kein Taxi nehmen, das nicht erstattet wird. Und außerdem hat er in einer Ecke der Halle eine Art Stabilbaukasten gefunden, an dem er sofort herumspielt. Von oben, wo die Reisenden Blasegast vermuten, ertönen im Handumdrehen gewaltige Detonationen. Staub rieselt von der Decke (zur Verdeutlichung). Gofthe wackelt mit dem Kopf, denn immerhin ist auch seine Gedenkplakette an einem Haus da oben angemacht!

"Aua, Schrudel! Aber keine Sorge, ich bin hier vollkommen autark. Unter anderem verfüge ich über eine Chicken Farm mit Freiganghaltung, einen Komposthaufen sowie einen Glutamat-Vereinzeler." Schrudel und Koko blähen die Nasenflügel.

Gisella aber zeigt sich unzufrieden. "Ich muss unter Menschen, Herr Gofthe, ich kann sonst nicht existieren! Große starke Menschen am besten, meinetwegen auch mit Intellekt." Betroffenes, unkonzentriertes Schweigen: Wer will denn, dass es unseren lieben Frauen an irgend etwas mangelt, gerade um den achten März herum? Aber Gisellas Aufschrei war wieder mal ein mächtiger Kratzer am mühsam ausgestalteten Selbstbild der anwesenden Kreativen. Zahlt den die Versicherung?

"Getränke, Meister, wie ist das hier so mit Getränken?" fragt Koko, denn er besitzt als einziger die moralische Kompetenz, an andere zu denken. Da tritt auch schon der liebe sehr geehrte Getränkehändler Adolf Nitzsche aus Machern (man muss nur machern!) durch den Dienstboteneingang, ein Tablett mit den bevorzugten Erzeugnissen in den ungünstig angebrachten Armen balancierend: Kamillentee für den Dichter, billigen zimmerwarmen Malt für Schrudel, Champagner für die Damen und ein Eiswürfelchen für Koko, den Dackel. Zur Feier des Tages frisch aus der Antarktis importiert.

"Vielleicht ist da noch ein Eisbär drin!" ruft der gutwillige Hund, und alle müssen herzlich lachen.

Der Untergang von Blasegast in der Presse
"Das Auslöschen von Blasegast wird bei uns durchaus groß geschrieben", erklärt Lokalredakteurin Obergohsel von der Presse vor der Presse. "Natürlich vergessen wir unseren globalen Antritt deshalb nicht, aber der kleine Mensch auf der Straße um die Ecke will sich ja gern wiedererkennen. Und wenn Blasegast als Dorfseite nicht mehr vorkommt, deckt sich das mit seiner Erfahrung, dass auch Blasegast mit ihm selbst nicht mehr vorkommt. Im übrigen handelt es sich bei dem Begriff "Auslöschen" um ein substantiviertes Adjektiv bzw. Pronomen, das immer groß geschrieben wird."
Das Amtsblatt des Patriarchen vom Polkanebel dagegen berichtet von interstellaren Tumulten, Aufruhr, Exzessen und leichter Depression wegen der Selbstauflösung von Blasegast, der Heimat des im Omegahydranten umhergurkenden Negativen U-Boots, denn dann habe man "diesen Schrotthaufen wohl für immer an der Backe, und was der für Kerosin verbraucht!"

Was sonst noch passiert wäre
Das vorzeitige Ende der Blasegast-Multilogie geht mit einem bedauerlichen Informationsverlust einher, den die interessierten Bürger leider erleiden müssen. So entfällt an dieser Stelle der Bericht über den Kauf von Turbine Blasegast durch einen nordostkaukasischen Oligarchen. Weitere Interregionalraketen der Guten Laune, die in den Startlöchern bleiben müssen: 1. Wie die UNO ihr Hauptquartier in Blasegast errichtet und alle sich tierisch über die Ausländer in den dicken Autos aufregen! 2. Wie Herr Schrudel zum Buffet geht und der Alkohol ist alle, aber Oma Steckwurst kommt zum Glück eben aus Machern! 3. Wie das Negative U-Boot mit dem untoten Klempner Patzschke aus der Rhön sich bei New York in den Hudson River bohrt und in Genf wieder rauskommt, weshalb das UNO-Hauptquartier verlegt werden muss! 4. Wie die bauchfreie Friseuse Sogelbrich sich aus dem Fenster lehnt, um Kundschaft anzulocken, und es klappt! 5. Wie auf dem Hof vom Sachenwerk schweinemäßig viel Öl gefunden wird und die Blasegaster Oligarchen nach jahrelanger harter Ölförderung endlich einen zwölftklassigen nordostkaukasischen Faustballverein kaufen können! usw. usf.

Ende