Die Reisenden sind am Ende des Ganges angelangt, eine Tür versperrt den Vorwärtsdrang, Getränke werden gereicht, Vermutungen ausgetauscht. Der blinde Herr Schrudel macht sich an Gisella Quarterbeck (entzückte 22) zu schaffen, die sich erwartungsfroh zwischen ihn und die Tür drängte, auf die er es eigentlich abgesehen hatte. Weil an diesem Handlungsort in den nächsten Stunden nichts passieren wird, was guten Gewissens beschrieben werden kann, schalten wir zur Auflockerung zu Herrn Getränkehändler Nitzsche nach Machern ("Man muss nur machern!").
Nitzsche nämlich hat in der überregionalen Gazette (die er gern als Gazelle bezeichnet) eine Reportage von Lokalredakteurin Obergohsel goutiert, die ihre Leserschaft über das Ende des größten Blasegaster Hoffnungsträgers im postindustriellen Sektor belehrte und mit diesem Bericht von der Dorfseite auf die Wirtschaftsseite vorgerückt war. (Nitzsche abonniert nur die Wirtschaftsseite.) Mit glühenden Ohren und durchaus hämich nimmt der Händler den Untergang des sogenannten Blasetrusts zur Kenntnis. Als er dann noch liest, dass alle Bürger freundlich aufgefordert sind, sich anlässlich einer abschließenden Auktion billig mit Teilen des Inventars zu versorgen, legt er seine Medaille an und betritt schleunigst seinen Fuhrpark.
Über viele Jahre wurde das Projekt "Hebebiene" des Blasetrusts bereits mit bedeutungsschwangerem Wabern breitgetreten. Verrückt gemacht hat man die Blasegaster und ihre Gäste mit Erklärungen, was hinter dem Bauzaun, der beinahe die Ausmaße des antifaschistischen Schutzwalles erreichte, geschehe! Nun wird die geheime Technologie endlich an das Volk, ihren wahren Eigentümer, zurückgegeben. Die 650 Verrückten Wissenschaftler verlassen die Kommandobrücke, Arbeiter und Bauern nehmen die Ruder in die Hand. Wie werden diese Ruder aussehen, und wird Herr Nitzsche eines abbekommen?
Die Haltestelle, von der aus die 650 Verrückten Wissenschaftler mit der "Hebebiene" in See stechen wollten.
Aber was ist der Blasetrust? Er besteht eigentlich nur aus einem gigantischen Loch, einer wahren Meisterleistung im internationalen Lochbau, wenn man den porösen Blasegaster Boden in Betracht zieht, der ständig unerwartet nachrutschte und ganze Schieberaupen unter sich begrub. Das Loch ist so groß, dass die Blase über mehrere Wochen hinweg rückwärts hätte fließen müssen, um es zu füllen! Aber wozu war das Loch eigentlich gedacht?
Die genialen Pläne der "Hebebiene" sahen eine geheime Technologie zum Bewegen von Menschenmassen vor. Die Menschenmassen sollten dabei aber nicht in der "Hebebiene" selbst transportiert werden, na-hein! Der "Koloss von Blasegast" würde vollständig unsichtbar unter einer Wasseroberfläche verkehren, während die Menschen nach dem brandneuen Prinzip der Massenumkehrtechnologie über dem Wasser schweben würden, mit freier Sicht, sofern das Wetter dies zuließe. Die ungeheure Masse der "Hebebiene" unter Wasser kehrt sich nämlich in der Luft in negative Masse um, die dann ganz einfach mit Menschenmasse aufgefüllt werden würde. Ausprobiert hatte man das Prinzip bereits mit einem Modell und kleinen Plaste-Indianern (und -Cowboys), und es funktionierte! Die Indianer konnten sogar Pfeil und Bogen benutzen.
Im Jahrhundertsommer ging dem Trust das Geld aus, und die 650 Wissenschaftler, die sich gerade in den Boutiquen, Salons und Operettenhäusern von Blasegast herumtrieben, wurden gar nicht mehr aufs Trustgelände gelassen, aus Angst, sie könnten geheime Technologie, Tesafilm und Aktendullis nach Hause mitnehmen. Verrückte Minister versuchten noch, den Boden des Loches mit Geld zu stabilisieren beziehungsweise die bisherigen Arbeiten an der "Hebebiene" sichtbar zu machen, beides misslang.
Mit der Auktion werden nun den Blasegaster Bauern, auf deren Grundstücken das Loch angelegt worden war, die entgangenen Rübenernten ersetzt. Außerdem soll mit dem Geld die Technologie vor den Taliban "verschleiert" werden.
Nitzsche setzt sich also zum Auktionstermin mit allen verfügbaren Biertrucks von Machern nach Blasegast in Bewegung. Die Fahrzeugschlange ist so lang, dass die letzten Trucks noch nicht vom Hof gefahren sind, als der erste schon mit Nitzsche an Bord den Blasetrust erreicht! Immerhin ist der sogenannte "Koloss von Blasegast" (Volksmund) zu ersteigern!
1000 Milliarden Autos drängen sich auf den Notparkplätzen, ganz Blasegast stöhnt unter illegal urinierenden Auktionsbesuchern. Vollbesetzte Zubringerbusse irren über das Gelände, fallen in das gigantische Loch, muskelbepackte Sicherheitsglatzen telefonieren hektisch mit ihren glatthaarigen Freundinnen, die über gelangweilt aufgeworfene Lippen verfügen und im Katalog blättern. Der Katalog umfasst über 12 Trillionen Inventargegenstände und kostet nur 57 Euren oder 14 Dollar! Alle kaufen den Katalog zur Erinnerung! Mobile Druckereien haben sich angesiedelt, um die Nachfrage zu decken. Sie stehen neben Frittieranstalten, in denen alles frittiert wird, was sich auftreiben lässt! Denn die Menschen sind hungrig, nicht nur nach geheimer Technologie. Schon Lenin, Brecht und andere sprachen, dass das Fressen vor der Technologie kommt, aber auch zum Fressen braucht man Technologie!
Zum Glück ist Herr Nitzsche mit gut gefüllten Biertrucks angereist, denn wer dieses Gelumpe aus den Frittieranstalten in sich hineinstopft, bekommt einen ordentlichen Brand! So hält sich Nitzsches Enttäuschung in Grenzen, als er weder die "Hebebiene" noch die hübsch gemusterten Büroliegen noch die in eigentlich großer Zahl feilgebotenen Bussiness-Assisstentinnen zu Gesicht bekommt, geschweige denn ersteigern kann. Der Händler schenkt freudig Getränke aus und verdient unter Anwendung seiner hinterhältigen Pfandtechnologie, die sonst nur auf Popkonzerten angewandt wird, ein kleines Vermögen. Und die Meerschweine, die die vielen kleinen Biertrucks steuern, sind auch nicht blöde und sammeln auf dem Werftgelände alles ein, was herumliegt und nicht niet- und nagelfest ist: Walfischrippen, Panzerglas, Petersilie, Bleiplatten, Schraubgläser, pornographische Schriften.
Lesen Sie im nächsten vollständigen Heft, warum Nitzsche Meerschweine als Kraftfahrer für Biertrucks bevorzugt.
Negatives U-Boot Reloaded?
Die Amtsrichterei Blasegast hat nach amtlicher Bekanntmachung unter einer Aktzeichnung den Vorgang "Klempner Patzschke gegen 650 Verrückte Wissenschaftler" abgelegt. Es geht um behauptete widerrechtliche Aneignung der Technologie des "Negativen U-Boots" (des Patzschke) für den Gebrauch in der sogenannten "Hebebiene" (durch die "Wissenschaftler"). Lange Verfahrensdauer ist programmiert, da das Beweisstück "U-Boot" derzeit im Polkanebel (Omega-Hydrant) herumgurkt.
Ende