Ort der Freude
tedfett
Die dauernd unerfreulichen Umstände mit den Frauen

Der blinde Herr Schrudel fummelt erregt am Verstärker herum. Es gibt einen Hieb, und eine Art fetter Lärm legt sich wie Wurstsuppendunst über die Möbelstücke. Er ist wütend! Man hat die angeschlagene Friseuse Sogelbrich auf seine gemütliche Ottomane gelegt, gegen seinen Protest. "Hier liegt immer die Gisella!" ruft Herr Schrudel wie ein großes, böses Tier. Da haut ihm Oma Steckwurst das Wischtuch um die Ohren wegen Herzlosigkeit und geht nach dem Herd sehen.

Schrudel allein mit zwei attraktiven Frauen! In seiner muchigen Kemenate! Die Sogelbrich, schwer atmend, weil sie wie eine äthiopische Gemse quer durch Blasegast galoppiert ist, verlangt nach Alkohol. Aber auf dem Buffet liegt Gisella Quarterbecks formvollendeter Körper, umschmeichelt von Koko, dem Dackel, den alle nur Schaboffski nennen, als eingebildetes Rheumadeckchen. Und wie Gisella sich flääzt, lasziv! Keine Spur von Gicht oder ähnlichem, was ein Deckchen erfordern würde. Jede Zelle im Schrudel drin schreit "Alarm!"

Klempner Patzscke aus der Rhön dagegen steht noch immer auf der Treppe des Steckwursthauses. Wenn die Ereignisse sich weiterhin so planlos entwickeln, kann er den Einbau des Hydrolifts vorerst vergessen. Dabei ist die Steckwurst seine einzige zahlende Kundin in diesem Kaff. Noch mehr aber ist er verunsichert wegen der Sache mit den vier entflohenen goldenen Stimmen der Rhöntalknospen. Die Rhöntalknospen heißen eigentlich Schnawollke und sind entfernte Halbkusinen von Patzschke. In der Rhön sind ja alle bis zu einem gewissen Grade verwandt oder haben durchaus schon einmal Geschlechtsverkehr miteinander gehabt.

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Elektromechanik – Schlüssel zum Geheimnis der goldenen Stimmchen?

Überhaupt ist es schön in der Rhön. Die Menschen bewahren die Tradition. Immer haben zum Beispiel die Schnawollke-Töchter beim althergebrachten Klöppeln gesungen, allerdings sehr scheußlich und laut. Damit er sie wenigstens manchmal aus dem Dorf bekam und die Bäume sich erholen konnten, ließ Patzschke sie bei Kaffeefahrten auftreten. Die Leute kauften dann wie verrückt, nur damit sie von dem Gesang verschont blieben!

Eines Abends aber schrillte plötzlich der Gong, und es standen vier kleine, goldfarbene Stimmen vor der Tür, die nach Öl verlangten. Das bekamen sie, und als sie danach lieblich vor sich hin plapperten, fasste Patzschke einen zwar teuflischen, aber menschenfreundlichen Entschluss: Er baute die Stimmchen, als die Knospen schliefen, einfach in die Schnawollke-Töchter ein. Schließlich ist er ausgebildeter Installateur! Er besorgte seinen Halbkusinen noch einen Manager, und als Rhöntalknospen erklommen sie die bekannten Karrieregipfel.

Eigentlich hat Patzschke dieses Kapitel seines langen, ruhelosen Klempnerlebens fast vergessen. Nun aber holt ihn die unselige Vergangenheit in Form einer halbnackten Friseuse mit Lötzinn auf dem Dutt wieder ein. Und er muss nicht nur den Kleinen Maat, der irgendwo im Alpha-Hydranten mit dem schönen Negativen U-Boot herumgurkt, sondern auch noch die goldenen Stimmchen finden! Die krächzenden Rhöntalknospen werden früh genug bei ihm aufkreuzen und neue Gesangsorgane begehren!

Na, vielleicht tun es auch erst einmal ein paar Sechzehner Ventile. Zumindest für die Fernsehshows.

Wüsste der Klempner, wo die Stimmen eigentlich herkommen, wäre er wohl noch weit mehr beunruhigt. Es handelt sich nämlich nicht um irgendwelche Erzgebirgischen Halsquetschgeräte chinesischer Herkunft, die der Menschheit auf Striezelmärkten hinterhergeworfen werden, sondern um intergalaktische Qualitätsware! Mit Stempel und, wenn man genau hinsieht, dem Siegel des Patriarchen vom Polka-Nebel.

Der besitzt nämlich, neben anderen, eine Fabrik, wo nicht nur Musikinstrumente hergestellt werden, sondern auch viele andere Sachen. Eigentlich ist die Fabrik ein richtiges Sachenwerk wie in Blasegast, und möglicherweise heißt es in polkaheli auch so. In einer geheimen Spezialabteilung aber werden auf Basis von hochentwickelter Mikroelektronik die goldenen Stimmchen produziert. Mit ihrer Hilfe möchte der Patriarch zunächst einmal den Polka-Kapellen seines Systems zu wahrer musikalischer Größe verhelfen.

Aber einige besonders wohlklingende Exemplare lässt er jedes Jahr heimlich von Spezialisten in kleine ausgepolsterte Raketen stecken und ins All schießen. Dort sollen sie mit anhaltendem Wohlklang die Werke des Patriarchen preisen und die Allbarbaren für eine Übernahme reif machen. Das kostet natürlich ein Schweinegeld, und wenn die Stimmchen nicht mehr nach Hause funken, weil sie zum Beispiel überfahren wurden, kann der Patriarch einigermaßen böse werden!

Der ahnungslose Patzschke indes taucht ab in den Keller, wo die kaputten Hydrantenaufseher liegen, die vor kurzem aus dem All in den Vorgarten gefallen sind. Wäre doch gelacht, wenn sich in denen nicht die eine oder andere brauchbare Radiode finden ließe, die die Ortung sinnlos herumpiepender Stimmchen ermöglicht. Herzhaft greift er in einen Wotscher hinein. Er ist innen mit Zahnrädern, Gestänge und Filz angefüllt! Wie ein Trabant!

"Patzschkilein, was machst du denn da?" gurrt es plötzlich von der Tür. Die angenehme Friseuse Sogelbrich, von Schrudel eben unsanft expediert, fällt dem Klempner um den Hals. Der verliert den vermeintlich goldenen Boden unter den Füßen und weiß sich nach Verstrickung in mehrere kaskadierende Notlügen nur noch mit willkommenen Zärtlichkeiten zu helfen. Geschäftsleute müssen eben zusammenhalten. Dass er aber gerade eine ständige Reisebegleitung für den Alpha-Hydranten an den Hals bekommen hat, wird ihm erst später aufgehen.

Ende